Warum sind die App-Nutzer eigentlich immer wieder so blöd?

| 25. April 2017 | 2 Kommentare

Goldesel IconEntschuldigung für diese Überschrift, ich meine nicht Dich persönlich, sondern die App-Nutzer insgesamt. Seit Wochen beobachte ich den Aufstieg der Marketing-App Goldesel bis in die Charts. Heute steht die App auf Platz sechs unter den kostenlosen Apps im Apple App Store. Jetzt ist es an der Zeit, darüber zu schreiben.

Goldesel ist eine App, die dem Nutzer Coins für verschiedene Anmeldungen, Registrierungen, Downloads und weitere Aktivitäten anbietet. Diese Coins können gesammelt werden und lassen sich dann in Gutscheine oder Bargeld umtauschen.

Die Partner von Goldesel zahlen dem App-Betreiber Geld für jeden neuen Kunden, der sich über die App bei ihnen anmeldet, Wetten abschließt, im Casino spielt oder eine bestimmte App runterlädt. Das Geschäftsprinzip ist einfach: Einen Teil dieser Zahlungen schüttet die App als Coins wieder an die Nutzer aus, den (vermutlich) größeren Rest steckt sie selbst ein.

Wer mitmacht, ist selber schuld – oder: „Jeden Tag steht ein Dummer auf“

Grundsätzlich ist das Geschäftsprinzip erlaubt und wird seit Jahren praktiziert. Lead-Generierung, also Interessentengewinnung, ist ein Milliardenmarkt. Doch wenn die Lead-Generierung so gemacht wird, wie ich es in dieser App sehe und wenn die Partner aus dem Ausland kommen und dafür bekannt sind, dass sie die Verbraucherrechte nicht so ernst nehmen, dann ist das eine andere Sache.

Das beginnt bei Goldesel schon damit, dass die Nutzer belohnt werden, wenn sie eine 5 Sterne Bewertung abgeben. Das machen natürlich dann auch 98% der Nutzer, denn dafür gibt es ja ein paar Coins. Der alte Bauerntrick, mit dem schon die Fernseh-App-Betrüger im App Store so erfolgreich waren, funktioniert nämlich nachwievor. Verspreche den Leuten einen Vorteil (den brauchst Du nicht zu liefern) und sie geben Deiner App eine tolle Bewertung. Wenn sie dann merken, dass die App doch nicht so gut ist, dann können sie nicht neu bewerten, denn sie haben ja schon eine Bewertung abgegeben.

Mit ihrer Bewertung täuschen sie aber auch die anderen Nutzer, denn die glauben dann, dass die App ja gut sein muss und geben wiederum 5 Sterne, bevor sie die App richtig überprüft haben. So wird eine App populär, deren Geschäftsprinzip es ist, den Leuten über ihre Werbepartner pro Tag 100 Spam-Mails schicken zu lassen, Daten zu verkaufen und Ad Tracking zu aktivieren.

Schon beim ersten Ansehen der App wird der Benutzer aufgefordert, in den Einstellungen unter Datenschutz das „Kein Ad-Tracking“ auszuschalten. Sonst könne man keine Credits gutschreiben. Wenn man da auf Verstanden tippt, wird schon der erste Werbespot eingespielt, natürlich für ein Pay-to-win Spiel (hier von Goodgame Studios der Titel: Empire: four Kingdoms).

In den Angeboten wird man auch aufgefordert, Freunde zum Installieren der App zu bewegen. Dafür gibt es dann 500 Credits. Wer Freunde selbst einlädt, bekommt sogar 1000 Credits, wenn diese die App installieren und nutzen.

Die meisten Angebote erfordern eine Registrierung bei den Marketing-Partnern oder den Download und das Spielen von Apps. Da gibt es dann auch diese Angebote, bei denen man sicher sein kann, künftig besonders viel Spam-Mails zu erhalten, weil die Adressdaten einfach weiterverkauft werden und Du so in hunderten Mailinglisten landest.

Der Witz dabei: Du wirst natürlich nicht umfassend darüber informiert, was mit Deinen Daten passiert. In den Goldesel-AGB findet sich folgender Satz:

„Für die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Drittanbieter für die Erfüllung von Aufgaben durch den Nutzer sind ausschließlich die Drittanbieter zuständig.“

Somit ist Goldesel nicht dafür verantwortlich, wenn der „dumme Nutzer“ sich bei einer Email-Schleuder anmeldet.

Dubiose Gewinnspiele und Fake-Umfragen

Für 832 Coins kann man an einer  angebliche „KWIZZAD“-Umfrage teilnehmen, die sich nach vier sinnfreien Fragen dann zu einer IKEA-Umfrage weiterentwickelt und schließlich darin mündet, dass man zum möglichen Gewinn eines IKEA-Gutscheins im Wert von 500 Euro, seinen Namen, sein Alter und die Mailadresse eingeben soll. Um dann teilnehmen zu können, muss man folgende Werbeeinwilligung abgeben:

Ich bin einverstanden, dass der Veranstalter und seine Partner mich postalisch, telefonisch, per E-Mail und SMS über Angebote aus dem jeweiligen Geschäftsbereich informieren. Die Partner kann ich hier selbst bestimmen (hier ist ein Link), ansonsten erfolgt eine Auswahl durch den Veranstalter nach freiem Ermessen. Das Einverständnis kann ich jederzeit widerrufen. Weitere Infos dazu (Link)

Die ganze Seite kommt komplett im IKEA-Design, enthält zwei IKEA-Logos und vermittelt so dem Teilnehmer den Eindruck, dass das schwedische Möbelhaus hinter der Aktion steht. Ganz unten im Kleingedruckten findet sich der Hinweis:

Die beschriebene Marke/Unternehmen ist weder Organisator noch Sponsor dieser Kampagne und führt keine Geschäftsbeziehung mit dem Ausrichter des Gewinnspiels.

Ausrichter ist in diesem Fall eine Firma LeadWorld Online Generation Ltd mit Sitz in Cork in Irland. Wer im Internet nach dem Namen dieses Goldesel-Partners sucht, wird hier besser keine Daten eintragen. Die Firma wird dafür kritisiert, dass sie auch den Widerruf nicht akzeptiert und ganz fleissig die Daten weiterverkauft. Das ist ein gutes Geschäft.

Das ebenfalls angebotene und von facebook bereits hinlänglich bekannte 500 Euro Gutschein-Gewinnspiel im Namen von H&M ist gerade wegen einer Störung nicht erreichbar. Dafür würde es auch nur 714 Punkte geben… Ich könnte wetten, dass H&M auch nichts davon weiß, wie hier auf Kosten ihrer Marke Adressen zum Weiterverkauf gesammelt werden.

Ob die angebotenen Gewinne tatsächlich ausgelost werden, ist nicht bekannt. Ich für meinen Teil habe noch nie gehört, dass jemand gewonnen hat.

Werbung für Glücksspiel

Weitere Angebote gibt es in der „Geld zurück“ Kategorie. Leider nicht für für normale Produkte, sondern für Lotto, Sportwetten, Poker und Casino. Und da gibt es natürlich auch nur einen Teil des ersten Einsatzes zurück. Die typische Bauernfänger-Methode, bei der man davon ausgeht, dass rund 10 Prozent der Leute zu regelmäßigen Spielern werden und die Marketingkosten für die anderen 90% durch Einzahlungen überkompensieren.

Mit Downloads von Pay-to-Win Apps und Glücksspiel-Apps punkten

Acht Angebote gibt es für das Installieren und Nutzen von Apps. Die werbenden Apps wissen nämlich um den Wert von belohnten Downloads (bringt nichts) und zwingen deshalb nun die Nutzer dazu, sich ein paar Stunden mit der App zu beschäftigen, denn nur dann werden die Coins gutgeschrieben. Man hofft, so doch einen höheren Prozentsatz zu zahlenden Spielern zu machen. Das dürfte auch aufgehen, denn bis Level 10 (Mobile Strike) oder Level 5 (King of Avalon: Dragon Warfare) geht es noch ganz einfach, die Probleme fangen erst später an.

Dazu noch Lovoo, der durch Betrug mit Fakeprofilen aufgefallene Datingdienst, zwei Casino-Apps und weitere Apps, die man nicht unbedingt braucht. Die Punkte zeigen gut, wer am Meisten zahlt: Das William Hill Casino und Mobile Strike.

Schauen wir noch einmal in die AGB von Goldesel: Da steht, dass Goldesel selbst außer der Login-Belohnung von 10 Coins täglich (nach 500 Tagen ununterbrochenem Login darf man sich über einen Amazon-Gutschein mit einem Wert von 5 Euro freuen) und dem simplen Coin-Spiel, bei dem man seine Coins verdoppeln oder verlieren kann, keine Leistungen anbietet. In § 3, Absatz 4 heißt es dann

Goldesel bietet keine Gewähr dafür, dass Drittanbieter

Der Satz endet hier einfach. Wofür keine Gewähr übernommen wird, erfährt der Leser nicht. Nur dass er den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Nutzungsbedingungen für die Goldesel App mit dem Download und dem Zugriff auf deren Funktionen zustimmt. Dazu müssten diese Nutzungsbedingungen aber beim ersten Öffnen der App angezeigt werden…

Insgesamt also ein Angebot, auf das man auch gerne verzichten kann. Wie schrieb es ein Nutzer: „Da kann man auch Pfandflaschen sammeln gehen.“ Und ich füge noch hinzu  „- dabei bekommt man wenigstens keine Spam-Mails“.

Gleich drei Verstöße gegen Apples App Store Bedingungen

Fakt ist, dass die App gegen mehrere Bestimmungen von Apple verstößt und deshalb jederzeit und ohne Angaben von Gründen von Apple aus iTunes entfernt werden kann. Allein die Belohnung für das Bewerten kann nach 3.2.2 Punkt vi schon dazu ausreichend sein, die Weitergabe von Daten der Nutzer (Punkt 5.1.2) oder die in Punkt 3.2.2. unter Punkt iii als nicht akzeptabel beschriebene App-Gestaltung, die vorrangig der Anzeige von Werbung dient. Drei Gründe für Apple, die App sofort aus dem App Store zu entfernen und sie auch nicht wieder zuzulassen.

Ich weiß auch, dass wohl kaum einer derjenigen, die auf so eine App hereinfallen werden, diesen Beitrag lesen wird. Insofern erreicht meine Warnung wahrscheinlich die Falschen. Einen Versuch war es dennoch wert.

Goldesel lockt mit einem Nebenverdienst. Doch wer hier auch nur 10 Euro zusammenbekommen möchte, muss sehr viel Zeit investieren und zudem seine Daten für Werbung bereitstellen.

Goldesel lockt mit einem Nebenverdienst. Doch wer hier auch nur 10 Euro zusammenbekommen möchte, muss sehr viel Zeit investieren und zudem seine Daten für Werbung bereitstellen.

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Kategorie: Appzocke

Information zum Autor des Beitrages ()

Markus Burgdorf startete App-kostenlos.de im Januar 2010 und hat seitdem über 10.000 Apps getestet. Mittlerweile berät er über die App Agency App-Herausgeber in den Bereichen Vermarktung von Apps, Entwicklung von Apps, Internationalisierung und arbeitet mit seinen Kunden daran, das Nutzererlebnis bei der Verwendung von Apps zu verbessern.

Kommentare (2)

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  1. Apptester sagt:

    Hm, und unter diesem Artikel eine Anzeige „39€-Methode verjüngert Ihre Haut um 20 Jahre in nur 14 Tagen“…
    Trotzdem danke für die Aufklärung!

  2. Die Anzeigen werden von Google eingeblendet. Leider haben wir keinen Einfluss darauf, welche das sind. Ich finde die auch manchmal grenzwertig. Zudem sind sie oft einfach so weit vom Thema entfernt, dass die Einblendung eigentlich auch keinen Sinn macht. Ein Problem, dass viele Webmaster kennen, denn die redaktionelle Arbeit lässt sich so kaum finanzieren.

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